Bericht vom 29.11.2010

In vier Tagen geht mein jetziger 10 wöchiger Aufenthalt in Nepal zu Ende und ich habe diesmal gottlob viele gute Nachrichten.

Solaranlage: Während drei Wochen war Heini Glauser hier, ein Solarspezialist und Architekt aus der Schweiz. Sein Einsatz ist von Swisscontact bezahlt worden. Endlich konnten wir die Solaranlage, welche wir auf dem Dach des Shantispitals in Kathmandu nicht bauen durften, hier auf unserem Tagesspital installieren. Unser Zentrum ist jetzt voll mit Solarenergie ausgerüstet, inklusive aller Volontärräume. Wir sind sehr glücklich darüber, denn bereits hatten wir wieder Stromunterbrüche von sechs Stunden täglich. Die Elektrizitätsversorgung hier ist sehr schlecht und nach der Regenzeit nehmen die Stromunterbrüche stetig zu bis es dann im nächsten Frühsommer mit dem Monsun wieder mehr Wasser gibt.

Der Rohbau des neuen Spitals geht zügig vorwärts. Zusammen mit Heini, dem jungen nepalesischen Arzt hier und einem Spezialisten aus dem grossen Spital in Bharatpur haben wir die Innenpläne überarbeitet, sodass das Spital nun eine weit bessere Funktionalität haben wird. Heini hat auch die Pläne für eine Solaranlage auf dem neuen Spital gemacht. Dazu musste er zunächst die viel zu gross geplante Elektrizitätsversorgung redimensionieren. Mit seinen Plänen wird auch das neue Spital vollständig mit Solarenergie versorgt werden können. Sonne ist ja das einzige Gut, welches dieses mausarme Land im Übermass hat. Mit dieser Anlage werden wir auch zu Trendsettern werden, denn Solarenergie wird hier noch fast kaum genutzt. Nun werden wir in der Schweiz dafür sorgen müssen, dass wir einen Teil des notwendigen Geldes von etwa 75‘000 Franken auftreiben können.

Abfallmanagement: Per Zufall hatte ich im staatlichen Bir.Hospital Herr Mahesh kennengelernt. Er hatte drei Jahre bei der WHO in Genf gearbeitet. Nun hat er kürzlich hier die Organisation „Health without harm“ gegründet, eine bitternötige NGO für Nepal. Denn es gibt hier kaum ein Spital, das seine Abfälle richtig entsorgt. Spritzen mit Nadeln, ungebrauchte Medikamente, infektiöses Material landet meist auf irgendeiner Abfallhalde mitten in der Stadt. Und arme Leute und Kinder suchen darin nach brauchbaren oder verkaufbaren Sachen und können sich infizieren. Schlussendlich wird das Ganze dann angezündet und verbreitet all die giftigen Gase von Plastik etc. über die Wohngebiete. Glücklicherweise konnten wir Herr Mahesh gewinnen in unserem Tageszentrum die richtige Trennung und Entsorgung von Abfall einzuführen. Z.B. werden alte Medikamente, darunter auch Antibiotika und Antibabypillen, welche wir auf unserem Gelände zusammengelesen haben, nun zu feinem Pulver gemahlen. Dieses kann dann in den Bauzement gemischt werden, sodass wenigstens das Grundwasser nicht mehr verschmutzt werden kann.

Tihar: Wir haben hier auf dem Land ein sehr belebtes Tihar-Fest erlebt. Kleine Gruppen von jungen Leuten oder Kinder kommen zur Haustüre zum Singen und Tanzen bis spät in den Abend. Wir mussten natürlich auch mittanzen. Die Nachbarn brachten allerlei Speisen, v.a. Früchte und süsse Reiskuchen.

Abschied und Ankunft: Inge da Silva, die Krankenschwester, welche mit unglaublich grossen Einsatz das Tageszentrum geputzt, neu gestrichen und das Staff mit täglich neuer Geduld angeleitet hat, ist vor zwei Wochen abgereist. Es gab eine tolle Abschiedsparty mit bestem Essen. Alle vermissen sie sehr, haben aber versprochen, nun das Gelernte auch wirklich weiter zu führen. Auch Heini ist inzwischen wieder in die Schweiz zurückgekehrt.

Vor einer Woche ist ein pensionierter Kollege aus Liestal, Dr. Muja, angekommen. Er wird mich hier nun ablösen und dafür sorgen, dass das gute Funktionieren, die Hygiene und vor allem die richtige Behandlung der vielen Patienten weitergeführt werden. Auch Dr. Singh, welcher nach seinem Weggang vom Shantispital jetzt eine eigene ambulante Health NGO gegründet hat, wird für zwei Wochen hier arbeiten kommen.

Und für mich hat es gestern bereits ein grosses Abschieds-Picknick gegeben. Schwerbeladen sind wir am frühen Morgen zum grossen Picknickplatz in den nahen Hügeln gefahren. Dort waren schon viele Familien und Gruppen am Kochen. Auch unsere Kocherei hat Stunden gedauert und hat schlussendlich wunderbar geschmeckt. Überall wurde auch viel getanzt und Muja und ich waren als einzige Ausländer unter den Hunderten von Nepali die grosse Attraktion, wir mussten unbedingt überall mittanzen und die Freude der Leute hatte uns richtig angesteckt.

Bericht aus Chitwan von Ruth Gonseth - 29.10.2010

Seit 5 Wochen arbeite ich nun ganz im südlichen, tropischen Tiefland von Nepal, dem Tarai. Bis zur indischen Grenze sind es nur gerade 50km. Die flache weite Landschaft liegt nur noch etwa 200m über Meer. Doch an klaren Tagen kann man im Norden die vielen schneebedeckten hohen Himalaja-Gipfel sehen. Das Gebiet hier heisst Chitwan, wo auch der grosse geschützte Urwald liegt, ein für Nepal-Touristen sehr beliebtes Reiseziel. Elephantenritt in den Urwald oder Kanufahrten auf den breiten Flüssen sind faszinierend und die Tierwelt äusserst vielfältig.

Unsere Gunjaman Singh Memorial Tagesklinik liegt etwa 10 km vom Urwaldeingang entfernt im Zentrum von Pithuwa, einem Bezirk welcher aus vier Bauerndörfern besteht. Bei unserer Ankunft, ich werde von Inge da Silva begleitet, werden wir herzlich von den Präsidenten der vier grossen politischen Parteien begrüsst. Es war erstaunlich, wie friedlich sie hier zusammen sassen, obwohl sie sich doch politisch spinnefeind sind. Der Friedensprozess ist noch längst nicht abgeschlossen und die Unzufriedenheit und Frustration der Leute ist sehr gross, weil nichts von den vor den Wahlen abgegebenen Versprechungen eingehalten wurde. Unweit von unserem Tageszentrum befindet sich das grösste Maoisten camp Nepals, wo die jungen Maoisten-Kämpfer seit dem Friedensvertrag von 2006 immer noch auf eine neue Perspektive, d.h. Integration in die reguläre Armee, warten.

Die meisten Leute leben hier von der Landwirtschaft, das Gebiet ist sehr fruchtbar. Die eigenen Felder sind meist klein und reichen nicht aus für die Selbstversorgung. Die armen Bauern leben mit ihren Familien in kleinen strohbedeckten Lehmhütten, einige haben noch ein paar Ziegen oder einen Ochsen, welche etwas Milch geben und zum Pflügen gebraucht werden. Im Moment ist gerade Reisernte, draussen wird überall gedroschen und die Spreu mit grossen runden Bastfächern entfernt.

Was wir allerdings am neuen Arbeitsort vorgefunden haben, war ziemlich schockierend: Der Arzt war vor zwei Wochen weggeschickt worden, weil die Patienten offenbar mit ihm nicht zufrieden waren. Alles war schmutzig und viele Apparate defekt. Kein Wunder, denn es gab nur einen halbwegs brauchbaren Putzlumpen, einen einzigen Kessel. So mussten wir zuerst Putzmaterial, Handtücher, Farbe anschaffen. Gottlob ist das junge Team aber sehr hilfsbereit und Inge ist ein Engel, wie sie das alles angepackt. Zusammen mit dem Team hat sie innen alles geputzt und neu gestrichen. Ich habe v.a. Patienten betreut, gottlob waren es zunächst noch nicht allzu viele, denn für alles (Labor, Medikamente, Verbandmaterial, …) musste ich immer wieder rumrennen und suchen.

Vor drei Wochen hat nun ein neuer junger nepalischer Arzt angefangen, er hat in China studiert und nur gerade 1 Jahr in verschiedenen Spitalabteilungen in Kathmandu ein kurzes Praktikum gemacht. Aber die Zusammenarbeit mit ihm ist sehr gut. Wir hatten dann auch schon ein erstes dermatologisches Health Camp durchgeführt. Es war ein grosser Zulauf, alle 160Patienten wurden gratis behandelt und seither kommt etwa die Hälfte der Patienten wegen Hautkrankheiten. So ist die Arbeit für mich jetzt sehr interessant und nützlich.

Inzwischen Hat auch der Bau des neuen Spitals einige Fortschritte gemacht, es soll angeblich bereits in einem Jahr bezugsbereit sein.

Alles in allem haben wir die ersten Wochen gut überstanden und einiges bewirkt, aber es bleibt eine grosse Herausforderung, all die weiteren Aufgaben hier zu meistern und mit den schwierigen Lebensbedingungen zurecht zu kommen. Langsam sind auch unsere Volontärräume fertiggestellt und wir sind froh, nicht mehr in einer Baustelle wohnen zu müssen.