Bericht vom 16.10.2011

Im Nu sind die ersten drei Wochen hier in Nepal wieder vergangen. Leider mussten wir gerade zu Beginn Abschied nehmen:
Unser junger nepalischer Arzt, Dr.Raj, ist nach einem Jahr Arbeit in unserem Day Care Center für drei Jahre in die Philippinen verreist, wo er seine Weiterbildung zum Facharzt in Dermatologie machen kann. Hier in Nepal hat er keinen Platz für die Weiterbildung erhalten; diese Plätze sind rar, auch sehr teuer (etwa 30‘000 Euro) und werden meist an BewerberInnen von wohlhabenden Familien oder aus der richtigen Partei vergeben. Nun hat er einen Platz im besten Universitätsspital von Manila erhalten und er ist sehr begeistert von der guten Ausrüstung der dortigen dermatologischen Abteilung. Unser grosser Dank geht an die Gisela Nägeli Stiftung, welche das Studiengeld in Manila von rund 16.500 USD übernommen hat. Diese Summe hätte Raj’s Familie selber nicht aufbringen können. Als Gegenleistung hat sich Raj verpflichtet, nach seinem Abschluss für mindestens zwei Jahre zu einem reduzierten Lohn wieder in unserem Spital zu arbeiten.

Bei meiner Ankunft hatten wir gerade noch einen Tag Zeit und mit Dr. Willi Kaufmann und seiner Frau Anna, einer Krankenschwester, unsere Erfahrungen auszutauschen. Während fast drei Monaten haben sie hier als Volontäre gearbeitet und dafür gesorgt, dass die Untersuchungen und Behandlungen der PatientInnen möglichst gut gemacht werden. Anna hat tüchtig geholfen, dass die Hygiene eingehalten wird, viele wunderbare Verbände gemacht und dem Staff immer wieder gezeigt, wie die Untersuchungszimmer und Arbeitsräume aufgeräumt und sauber gemacht werden müssen, auch wenn sie das oft Nerven gekostet haben mag. Die beiden haben unter recht schwierigen Umständen wirklich gute Arbeit gemacht, umso mehr als sie auch unter der ausserordentlichen Monsunhitze in diesem Jahr leiden mussten.

Der Neubau des Spitals kommt recht gut voran, sodass das Erdgeschoss wohl im nächsten Frühjahr bezogen werden kann. Bis dann gibt es aber noch sehr viel vorzubereiten, zusätzliches Personal wird gebraucht werden und ich hoffe, dass das Geld reicht, um auch einige besser ausgebildete Leute einzustellen.

Die nächsten drei Tage wird Dr. Durgesh Man Singh, der Gründer der hiesigen Stiftung, und Rabi kommen. Als erstes werden wir die Bewerbungsgespräche mit den nepalesischen Ärzten führen, die sich gemeldet haben. Leider sind es alles nur Leute mit wenig Berufserfahrung.

Schon im Frühjahr hatten wir als erstes Spital in Nepal das Label „Environment Friendly Hospital“ erhalten, wofür wir mindestens fünf Kriterien einer WHO-Richtlinie erfüllen mussten. Wir haben die folgenden schon umgesetzt: -Korrekte Abfalltrennung und Wiederverwertung; -Kompostierungsanlage; -keine Quecksilberhaltigen Thermometer und Blutdruckmessgeräte; -sauberes Wasser (nach SODIS); -nachhaltige Energieversorgung mit unserer Solaranlage.

Die Patientenzahl hat seit Beginn stetig zugenommen und tagsüber sind wir recht gefordert. Der Hauptteil sind Patienten mit z.T. schweren Infektionen wegen mangelnder Hygiene. Die Patienten sind sehr zufrieden und dankbar, dass sie nun in der Nähe ihrer Dörfer eine gute medizinische Versorgung haben.

Während des Dashain Festivals hatten wir die Klinik für einige Tage geschlossen, weil hier überall Verwandtenbesuche gemacht werden müssen. Ich habe die Zeit genutzt, um Besuche in Kathmandu zu machen und auch Andrea Raisigl abzuholen. Zusammen haben wir verschiedene Leute besucht, z.B. Nama, welcher leider nach der Massenentlassung bei Shanti SEWA Griha ebenfalls seine Arbeit verloren und nun auch noch den Arm gebrochen hat. Andrea ist Röntgen-MPA mit einer Zweitausbildung in Ostheopathie. Ihre Arbeit ist wirklich wertvoll, einerseits instruiert sie unseren wenig ausgebildeten Röntgenassistenten, anderseits behandelt sie unsere zahlreichen Patienten, welche an Knochen- und Gelenkschmerzen leiden. Sie wird für einen Monat hier bleiben. In Kathmandu habe ich auch das neue kleine Zentrum von Dr. Singh besucht, welches er neu in der Nähe seines Wohnhauses eingerichtet hat, um arme Patienten zu behandeln.

Bericht vom 17.3.2011

Seit einem Monat bin ich wieder in Chitwan. Im Vergleich zum ersten Einsatz hier war es diesmal ein wirklich gutes Ankommen. Das Staff hat punkto Sauberkeit und Hygiene vieles gelernt und macht die Arbeit für nepalische Verhältnisse recht pflichtbewusst. Rings um die Tagesklinik wurden viele Blumen gepflanzt und Muna, unsere Laborantin, posiert vor den blühenden Dalien mit ihrem Ehemann, welcher gestern, nach zwei Wochen Bangen, endlich aus Lybien nach Nepal zurück kehren konnte.

Dank neuem Ultraschall-Gerät und EKG, welche wir aus Schweizer Spendengeldern anschaffen konnten, können wir jetzt verbesserte Abklärungen anbieten und die Patientenzahl nimmt zu. Und einige Staff-Mitglieder haben angefangen mit den neuen und alten Lehrbüchern, die ich mitgebracht habe, auch selbst etwas dazu zu lernen. Wir sehen eine interessante Vielfalt von verschiedenen Krankheiten und die Arbeit ist spannend.


Ungewollt schwanger

Vor zwei Wochen suchte uns die 18jährige Bimala auf. Sie arbeitet in einer der nahegelegenen Ziegeleien. Sie habe seit vier Monaten keine Mens. Die Untersuchung zeigt, dass sie im 6.Monat schwanger ist. Sie ist nicht verheiratet. Der Vater des Kindes hat eine neue Freundin und will Bimala nicht heiraten. Ein riesiges Problem! Denn Schwangerschaftsabbrüche sind auch in Nepal nach der 12.Woche illegal und häufig werden schwangere Mädchen hier von der Familie und dem Dorf völlig ausgestossen. In der Not gehen die Mädchen dann oft zu einer illegalen Quacksalberin oder bringen sich gar vor Verzweiflung selber um. Wir versprechen, ihr zu helfen. Sie soll aber zunächst noch mit ihrem älteren Bruder, der auch in der Ziegelei arbeitet, vorbeikommen. Gottlob ist er verständnisvoll und will die Eltern für die Zustimmung zu einer guten Lösung gewinnen. Nach einigen Telefonen habe ich endlich einen Platz für Bimala gefunden, im Hilfswerk „Sathi“ (Sathi heisst „Freundin“) in Kathmandu. Diese NGO nimmt ungewollt schwangere Frauen auf und betreut sie bis nach der Geburt. Falls die Frauen die Kinder nicht behalten können, sucht Sathi nach einer Adoptionsmöglichkeit. Zusätzlich erhalten die Frauen bei Sathi Unterricht in Handwerkarbeiten, aber vor allem auch Training zur Stärkung ihrer Persönlichkeit.


Schuften für einen Hungerlohn

Das Schicksal von Bimala hat mich motiviert, endlich einmal eine der Ziegeleien aufzusuchen. Denn unsere wirklich ärmsten Patienten kommen von dort. Es sind meist junge Leute aus den höheren Bergtälern, welche hier von November bis April als Gastarbeiter arbeiten. Sie krampfen im Akkord und kommen meist erst kurz vor Arbeitsschluss, weil sie sich keinen Arbeitsunterbruch leisten können. Die Frauen formen die Lehmbacksteine, die Männer tragen sie in den Ofen, es wird sieben Tage pro Woche gearbeitet. Am Abend wird abgerechnet. Für je 40 transportierte Steine gibt es eine Münze. Für 25 Münzen gibt es 200 Rupien, circa 2 ½ Franken. Neben der Arbeit müssen die Frauen auch die Familien versorgen und auf die Kinder aufpassen. Die Leute leben für sich in den kleinen, selbst gebauten Lehmbacksteinhäusern, die Kinder können nicht zur Schule. In der heissen Jahreszeit, wenn es hier zu wenig Wasser gibt und dann während der Monsunzeit, kehren sie in ihre Dörfer zurück um dort in Landwirtschaft zu helfen.


Dermatologisches Health Camp

Vor 10 Tagen haben wir ein „Health Camp“ in Chainpur, einem etwa 20km entfernen Dorf in den Hügeln, gemacht. Auf den holprigen, schlechten Strassen dauert die Fahrt dorthin mehr als eine halbe Stunde und die meist nicht motorisierten Patienten haben – ausser dem Bus, welcher aber nur einmal täglich fährt - wenig Möglichkeiten die Klinik aufzusuchen. Bei solchen Health Camps ist die erste Behandlung immer gratis und wir geben die nötigen Medikamente für etwa 2 Wochen. Falls nötig müssen die Patienten zur Nachkontrolle in die Klinik kommen. Das Camp wurde durch die Lehrer eines Schulhauses organisiert. Es kamen etwa 180 Patienten, alles Hautkrankheiten. Gottlob hat uns bei der Arbeit Dr. Sing geholfen und so konnten wir in drei verschiedenen Schulzimmern arbeiten.


Feste feiern

Trotz Armut verstehen es die Menschen hier sehr gut, farbenfrohe Feste zu feiern. Unser Nachbar mit dem kleinen Laden hat und zu seiner Shivarati Puja – eine Gebetszeremonie um Gott Shiva um Wohlstand zu bitten – eingeladen. Während sieben Priester die Gebete sangen wurde all den Gästen ein köstliches Essen serviert. Die Tochter eines weiteren Nachbars wurde verheiratet, auch dort waren das ganze Staff und über hundert Leute aus der Umgebung zum Essen geladen. Und wir selbst haben an unserem freien Tag einen Ausflug zum Elephantenreiten in den Urwald beim nahegelegenen Touristenort Sauraha organisiert. Obwohl unsere Staffmitglieder alle von der Umgebung kommen, waren sie noch nie im geschützten Urwald. Ganz besonders faszinieren war für mich der Balztanz der Pfauen mitten im Urwald. Einen grossen Dank für das Sponsoring des Ausflugs an Inge, welche letztes Jahr hier gearbeitet hat!